Torarolle, Erfurt 7 (SBB-PK, Orientabt., Ms. or. fol.1216)

Die Torarolle „Erfurt 7“ nimmt unter den vier Erfurter Torarollen eine Ausnahmestellung ein: Ihre Schrift und die Darstellung der Lieder verweisen auf eine orientalische Herkunft. Welche Wege sie in den Besitz der Erfurter jüdischen Gemeinde brachten, ist nicht bekannt.

Ausgewählte Seiten der Handschrift

  • mit hebräisch beschriebene Pergamentseite

    Im Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde. Und die Erde war öd' und wüst, und Finsternis auf der Fläche des Abgrundes, und der Geist Gottes schwebend über der Fläche der Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht; und es ward Licht. Und Gott sah das Licht, dass es gut war, und Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es ward Abend und ward Morgen: Ein Tag.

    Hier ist zweimal das als Sonderzeichen geschriebene, sogenannte "gewickelte Peh", zu sehen.

    Die Tinte, mit der eine Torarolle geschrieben wird darf nicht farbig sein. Der große Gesetzesgelehrte und Philosoph des Mittelalters Moses Maimonides empfiehlt folgende Rezeptur für eine gute schwarze Tinte: "Man sammle Öldampf, Dampf von Wax und Teer, kondensiert das Ganze und verknetet es mit dem Saft einer Pflanze und einem Tropfen Honig. Es wird kräftig befeuchtet und geknetet bis flache Plätzchen herauskommen. Man trocknet diese und bewahrt sie auf bis sie gebraucht werden. Wenn sie gebraucht werden, weicht man sie in Gallussaft o.ä. und kann schreiben."

    Es gibt rabbinische Traditionen, die diese visuellen Textpausen dahingehend interpretieren, dass Moses Nachdenkpausen zwischen den einzelnen Offenbarungen Gottes benötigte. Auf diese Weise habe Moses die Tora in kleine Sinneinheiten getrennt.

  • mit hebräisch beschriebene Pergamentseite

    Die Lücken im Text kennzeichnen unterschiedlich lange Pausen im mündlichen Vortrag.

    Hier am Rand sehen Sie noch die Löcher, die in das Pergament gestochen wurden, um eine gerade Linienführung zu erreichen.

    Hier ist sehr schön die Naht zu erkennen, die zwei Pergamentbögen zusammenhält. Insgesamt besteht eine Torarolle durchschnittlich aus vierzig solcher Pergamentbögen.

    Hier sehen Sie gut die Linien, die in das Pergament gedrückt wurden, um ein gleichmäßiges Schriftbild zu garantieren.

  • mit hebräisch beschriebene Pergamentseite

    Oft wird der letzte Buchstabe einer Zeile in die Länge gezogen, um einen gleichmäßigen Blocksatz herzustellen.

    Um unterschiedliche Schriftgrößen zu erzeugen, benutzten die Schreiber auf bestimmte Maße zurechtgeschnittene Gänsekiele. Auch die Tinte variierte, was auf die jeweilige Rezeptur zurückzuführen ist. Grundbestandteil der Tinten in Europa waren der Gallusapfel, etwas Harz und Eisensalze. Durch Zusätze wie Essig, Fruchtschalen, Baumrinden oder Ruß konnte eine breite Farbpalette erzeugt werden.

    Die kleinen Striche auf den Buchstaben nennt man "Taggin" oder "Krönchen".

  • mit hebräisch beschriebene Pergamentseite

Blatt 1 (Beginn des Buches Genesis)

Die 66 cm hohe Torarolle „Erfurt 7“ nimmt unter den vier Erfurter Torarollen eine Ausnahmestellung ein. Die gedrängte und hohe Schrift spricht gegen ihre Herstellung im aschkenasischen Raum. Auch die Darstellung der Lieder weist auf eine orientalische Herkunft. Leider wissen wir nicht, auf welchen Wegen diese Handschrift in den Besitz der Erfurter jüdischen Gemeinde gelangt ist.

Blatt 7 (Abschnitt aus dem Buch Genesis)

Eine genaue Datierung der Handschrift lässt sich nicht vornehmen. Allerdings kann man mit Sicherheit sagen, dass auch diese Torarolle vor dem Pogromjahr 1349 geschrieben wurde. Die vollständige Tora ist hier auf 50 Blätter mit je 60 Zeilen Text geschrieben.

Blatt 8 (Abschnitt aus dem Buch Exodus)

Leider hat diese Handschrift ihre Odyssee durch die Zeiten und Räume nicht unbeschadet überstanden. Sie weist einige stark geschädigte Blätter auf, auf denen die Schrift kaum noch lesbar ist.

Blatt 17 (Schilfmeerlied des Mose)

Für ihr hohes Alter spricht auch die Tatsache, dass die Maimonidische Gliederungsweise, die sich im 13. Jahrhundert aus dem orientalischen Raum kommend durchzusetzen begann, in dieser Torarolle noch nicht umgesetzt wurde.

Blatt 25 (Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium)

Die Vorstellung von „rein“ und „unrein“ ist die zentrale Ordnungskategorie im jüdischen Denken und eng mit der Idee von „heilig“ und „profan“ verknüpft. Ausschlaggebend für die Vorstellung von „rein“ und „unrein“ war die Heiligkeit des Tempels. Um dieser zu entsprechen, mussten alle Menschen und Dinge, die in Kontakt mit dem Heiligtum standen, im Zustand absoluter Reinheit sein. Die jüdische Literatur der Antike lässt keinen Zweifel: dem Tempelrollenexemplar kam hochheiliger Charakter zu und es war denselben rituellen Regeln wie den hochheiligen Tempelgeräten unterworfen.
Aus diesem Grund war und ist die Reinheit des Materials, aus dem die heiligen Rollen gefertigt sind, von außerordentlicher Bedeutung. So muss das Pergament, auf dem die STaM („Sefer Tora", „Tefillin" und „Mezuzah") geschrieben werden, von den Häuten rituell reiner Tiere stammen. Damit sind Tiere gemeint die nach jüdischen Speisevorschriften zum Verzehr geeignet sind, wie z.B. Rind, Wild oder Schafe, aber im Unterschied zu diesen nicht rituell geschlachtet sein müssen. Für die Herstellung der Pergamentbögen wird die Tierhaut zunächst in einer Kalklösung eingeweicht, um sie dann auf einem Holzrahmen kontrolliert zu trocknen. Dadurch verändert sich die Gewebestruktur des Leders. Nach der Trocknung kann die Haut mit einem scharfen Messer auf beiden Seiten ausgedünnt werden.

Blatt 42 (Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium)

Da diese Torarolle aus dem orientalischen Raum stammt und eigene Schreibertraditionen, die sich vom aschkenasischen Brauch unterscheiden, beinhaltet, haben aschkenasische Schreiber nachträglich einige Nachträge vorgenommen. So sind beispielsweise viele der im aschkenasischen Raum des 13. Jahrhunderts beliebten Sonderzeichen hinzugefügt worden.

Blatt 49 (Abschnitt aus dem Buch Genesis)

Auch für den modernen Sofer im heutigen Jerusalem oder New York hat die fehlerfreie Weitergabe der Tora an die nächste Generation oberste Priorität. Er ist deshalb verpflichtet, eine zuverlässige, mehrfach geprüfte Vorlage zu benutzen. Damit sich beim Abschreiben kein Fehler einschleicht, muss jedes Wort von ihm laut gelesen werden, bevor er es endgültig zu Pergament bringt. Damit soll zum einen die Heiligkeit des Textes auf die Schriftrolle übergehen, zum anderen aber auch vermieden werden, dass der Schreiber ganze Passagen aus dem Kopf schreibt – auch wenn das für ihn sicherlich kein Problem darstellte.

Es ist wichtig, dass jeder einzelne Buchstabe gut lesbar und über jeden Zweifel erhaben ist. Der Sofer benutzt für die STaM, aber auch für das Abschreiben der Hebräischen Bibel immer die sogenannte assyrische Quadratschrift, deren Name auf ihre Ursprünge im babylonischen Exil hinweist, von wo sie sich allmählich ausbreitete. Diese Schrift basiert auf dem aramäischen Alphabet, das das althebräische Schriftsystem, das sich ursprünglich aus dem phönizischen Alphabet ableitete, etwa im fünften vorchristlichen Jahrhundert verdrängte. Den Namen „Quadratschrift“ bekam diese Schrift, da jeder Buchstabe ein ganzes bzw. halbes Quadrat ausfüllt und sich die Linienführung der Zeichen mit hauptsächlich waagerechten und senkrechten Strichen meist am Quadrat orientiert. Betrachtet man das Schriftbild einer Torarolle näher, fallen die exakt geschriebenen Buchstaben ins Auge, die beinahe Druckqualität besitzen. Dazu muss bemerkt werden, dass ein Schreiber für jeden der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets exakte Schreibvorgaben hat. Auf das gesamte Alphabet bezogen, gibt es über 150 Schreibanweisungen, die kaum Platz für Interpretationen oder so etwas wie künstlerische Freiheit lassen.