Ursprung und Wandel des Gebrauches von Tinte und ihre rituelle Verwendung im Judentum

Foto: Tinte und Schreibfeder eines Sofer STaM

Inhaltsstoffe

Die wichtigste Ingredienz der Tinte (lat.: gefärbtes Wasser) war zunächst einfacher Ruß, der sowohl in chinesischer Tinte, als auch in römischen und griechischen Rezepten zu finden war. Der Flammenruß ist auch die Substanz, welche der späteren Druckerschwärze zu Grunde liegt.

Im Laufe der Zeit vervielfältigten sich die Rezepturen der Tinten – oftmals geheim gehalten von ihren jeweiligen Herstellern – und die Schreibsubstanz musste den Neuerungen des Schreibmaterials und der Schreibgeräte angepasst werden. So erforderte weißes, maschinell erzeugtes Papier neue Tinten, resistent gegen das im Papier enthaltene Chlor. Die Schreibfedern aus Stahl wiederum wurden von aggressiven Tinten angegriffen, weshalb man übergangsweise gar Schutzkappen für die neuen robusten Federn produzierte.

Die Zutat, die sich in der Tintenherstellung mit Ausnahme des Rußes der größten Beliebtheit erfreut, ist der Gallapfel, ein krankhafter Auswuchs eines Baumes, der von der Gallwespe heimgesucht wurde. Die Gallwespe legt ihr Ei ab, um welches sich eine nussgroße Kugel bildet, der sogenannte Gallapfel. Für die Tintenproduktion sind Galläpfel, aus welchen das Insekt noch nicht entfliehen konnte, besonders begehrt, da sie am meisten von dem für die Tintenproduktion entscheidenden Gerbstoff enthalten. Beste Qualität unter den Galläpfeln wird den levantinischen oder „Aleppo-Galläpfeln“ nachgesagt. Andere Gerbstofflieferanten sind beispielsweise Knoppern, Eichenrinde, Sumach-, Weiden- und Pappelrinde, Fichtenrinde, Ulmenholz, Rosskastanienrinde, Schlehen, Kreuzbeeren, etc.
Die Problematik der gerbstoffhaltigen Tinten ist mit Blick auf diese Zutaten ersichtlich: Die Haltbarkeit der Tinten wird von natürlichen Verfallserscheinungen wie Schimmel bedroht. Die jüngere und kostspieligere Alternative liegt in gerbstofffreien, bzw. kombinatorischen Lösungen. Hier wären Chromtinten, Alizarin, Blauholz und Campecheholztinten zu nennen. Andersfarbige Tinten gehen aus anderen Substanzen hervor, so wird rote Tinte zumeist aus Rotholz oder der Cochenille gewonnen.

Gebrauch

Das im Hebräischen gebräuchliche Wort für Tinte ist „Dejo". Der Gebrauch von Tinte im jüdischen Ritus ist strengen Richtlinien unterworfen. Die Tora muss beispielsweise mit schwarzer Tinte, aus ausgesuchten Ingredienzien hergestellt, geschrieben sein. Eine rabbinische Erzählung berichtet von einem jüdischen Fürsten, der in seiner eigens angefertigten Tora die Namen Gottes in goldener Farbe erscheinen ließ. Die Weisen verboten daraufhin den Gebrauch der Tora. Ein praktischer Grund liegt nahe: goldene Buchstaben lösen sich mit der Zeit vom Pergament. Je nach Verwendungszweck innerhalb des rituellen Gebrauches variieren Zutaten und Zusammensetzung der Tinten, die für die Beschriftung der Tora, der Tefillin, der Mezuzot und den Text des sogenannten „Get“, des jüdischen Scheidebriefs, zuständig sind.

Zu den Schreibgeräten im rituellen Gebrauch ist zu vermerken, dass sowohl verarbeitetes Schilfrohr als auch Vogelfedern oder Eisenerzeugnisse benutzt werden dürfen. Die Feder des Toraschreibers trägt die Bezeichnung Qulmus und eignet sich idealerweise sowohl zum Schreiben von breiten Buchstaben, als auch zum filigranen Verzieren der Buchstaben mit Krönchen. Falls Sie Tinte selbst im Experiment herstellen wollen, hier zwei Rezepte:

Rezepturen zum Ausprobieren

1. Schwarze Tinte

Man nehme: (Zahlen = Gewichtsteile)

  • 3 Aleppo Galläpfel
  • 2 Kristallisierter Eisenvitrol
  • 2 Arabisches Gummi
  • 60 Wasser

Die zerstoßenen Galläpfel werden in ein Gefäß gegeben, die Hälfte des ungekochten Wassers wird schlicht hinzu gegossen. Mit der anderen Hälfte der Wassermenge werden das arabische Gummi und das Eisenvitriol aufgelöst. Die schwarze Gallapfellösung kann zwar sogleich als Tinte verwendet werden, entfaltet ihre tiefe Schwärze optimal allerdings erst nach 2 Monaten Ruhezeit mit gelegentlichem Umrühren. Die chemische Reaktion, die sich hier vollzieht ist eine Wandlung des Eisenoxyduls zum Eisenoxyd. Mit der Beimischung der Gummi/Vitriolmischung werden die gröberen Rückstände der Gallapfeltinte in eine brauchbare Schreibsubstanz verwandelt.

2. Rote Brasilientinte

Man nehme: (Zahlen = Gewichtsteile)

  • 280 Fernambukholz
  • 10 Zinnsalz
  • 20 Gummi
  • 3500 Wasser

Das Fernambukholz wird zu feinen Spänen verarbeitet und anschließend ca. eine Stunde lang gekocht. Während das Fernambukholz kocht, ist das Zinnsalz in Wasser zu lösen, was eine klare Flüssigkeit ergeben sollte. Im gekochten Fernambukholz wird das Gummi aufgelöst und dann die Zinnsalzlösung hinzugefügt. Die Tinte ist gebrauchsfertig.

Text: Katharina Haase (Studentin der Freien Universität Berlin) in Zusammenarbeit mit Dr. Annett Martini