Offener Brief

12.08.2014 10:49

Der offene Brief Kulturschaffender in Deutschland zum Krieg in Gaza vom 1. August 2014 drückt das Streben aus, die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens vor dem „Verstoß gegen internationales Recht“ und gegen „schwerste Kriegsverbrechen“ durch die israelische Armee zu schützen. Die Hamas als Kriegsgegner bleibt im offenen Brief unerwähnt.

Die Hamas, die seit Jahren Israel mit Raketen angriff und bei schlussendlicher Gegenwehr Israels die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde missbraucht, vereinbarte Waffenpausen nicht einhält, die Beseitigung des jüdischen Staates als Ziel beibehält und mit Kräften zusammen wirkt, die in jüngster Zeit in Nachbarländern Israels schon mehr als 100.000 eigener Landsleute getötet und mehr als eine Million vertrieben haben. Die Hamas hat den Krieg gewollt, denn eine Einstellung ihrer Raketenangriffe hätte ihn verhindert und ihn auch nach seinem Beginn noch abbrechen können.

Die tragische Einseitigkeit der Kulturschaffenden, die den offenen Brief unterzeichneten, wird dem Streben nach Lösung des komplexen und komplizierten Nahost-Konflikts nicht gerecht. In Deutschland trägt er dazu bei, den anwachsenden Antisemitismus zu verstärken. In ganz Deutschland, auch in unserem Thüringen, eskalieren antisemitische Straftaten. Briefe mit Morddrohungen und Patrone an unsere Gemeinde, geschändete Friedhöfe, Hakenkreuze und eine beschädigte Gedenkstätte für eine unserer zerstörten Synagogen lassen in den letzten Monaten und Tagen insbesondere unsere Holocaust-Überlebenden verzweifeln.
Nach dem enormen Beitrag der Juden für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft unseres deutschen Vaterlandes und nach der Vertreibung und Ermordung unserer Familien während des Nationalsozialismus ist die gegenwärtige Entwicklung unfassbar.

Die Kulturschaffenden, die den Brief unterschrieben, sind in ihrer Mehrheit keine Antisemiten. Aber ihr Brief reiht sich in seiner Wirkung in die von linken Aktivisten organisierten Anti-Israel-Demonstrationen ein, die am Ende in geduldeten Beleidigungen und Morddrohungen gegen Juden in Deutschland ausarteten.
Den meisten Familien dieser Kulturschaffenden ist das Schicksal der in Deutschland lebenden Juden erspart geblieben. Uns nicht. Wir erwarten Solidarität im Kampf gegen Antisemitismus statt Unterstützung eines neuen Antisemitismus.

Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Schramm
Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen