Halacha und Aggada
Die Halacha (von hebr. הלך; „gehen“, „wandeln“) bezeichnet die normative Tradition, d.h. die Gesamtheit der jüdischen Rechtsvorschriften. Diese sind in Werken wie der Mischna (2. Jhd.), dem Babylonischen und Jerusalemer Talmud (5./6. Jhd.) oder auch in späteren Kommentarwerken wie etwa in der einflussreichen Mischne Tora des großen Rechtsgelehrten und Philosophen Maimonides (12. Jhd.) gesammelt und von einer Generation auf die nächste überliefert worden. Die Halacha ist in einem ständigen Fluss, da sie an wechselnde politische, soziale und kulturelle Verhältnisse der Juden in der Diaspora angepasst werden musste. Dennoch versuchte man, eine möglichst einheitliche Gesetzesgrundlage für Juden in allen Regionen zu schaffen.
Aggada oder Haggada (hebr. אגדה, הגדה; „das Erzählte“) ist eine wesentliche Komponente der rabbinischen Tradition, die meist in Abgrenzung zur Halacha als der nichtgesetzliche Zweig der rabbinischen Literatur definiert wird. Die Aggada geht in erster Linie auf das Palästinensische Judentum aus der Zeit des Zweiten Tempels bis zum Ende der Talmudischen Periode zurück, zeigt aber auch weiterführende Ausläufer in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Literatur, wie z.B. in der Kabbala oder dem Chasidismus. Die Formen der Aggadot (pl. von Aggada) sind vielfältig: Parabeln, Legenden, Lehrmeinungen, Ermahnungen zur ethischen Handlungsweise und gutem Benehmen, Fabeln, Gedichte, Gebete, beißende Satiren oder erbitterte Polemiken, um nur einige Beispiele zu nennen. Der größte Teil der Aggadot bezieht sich auf den Stoff der Bibel (später dann auch des Talmuds und des Midrasch), deutet ihn nacherzählend um, fügt neue Details hinzu und präsentiert das meist volkstümliche Material in homiletischer, erbaulicher, paränetischer oder verheißender Form dar. Dabei können religiöse Reflexionen über die Natur mythisch aufgeladen, die Historie Israels legendenhaft weitergesponnen oder Geschichten zum reinen Vergnügen erfunden werden. Die Themenspanne der Aggadot ist ihren unterschiedlichen Formen entsprechend sehr breit und den jeweiligen sozialen, politischen und religiösen Umständen geschuldet. Der Bezug zur Lebenswelt und Gegenwart ist ein wesentliches Merkmal der aggadischen Literatur.