Gedenkbuch „Ausgelöschtes Leben“
Ein Arbeitskreis Erfurter Bürgerinnen und Bürger unterbreitete der Stadtverwaltung das Vorhaben und erhielt ohne Zögern die notwendige Unterstützung. Die Arbeitsgemeinschaft Erfurt der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und die Evangelische Erwachsenenbildung Thüringen hatten Anfang 2007 zu einem Initiativkreis eingeladen, aus dem der Arbeitskreis „Erfurter GeDenken 1933 – 1945“ hervorging. Ein künstlerischer Wettbewerb und das Engagement von privaten Stiftern brachten die neun Erfurter DenkNadeln hervor, die seit 2009 das Stadtbild bereichern. Das „Erfurter GeDenken 1933 – 1945“ ist Bestandteil eines Netzwerkes von Einrichtungen jüdischen Lebens in Erfurt. Es geht um bürgerschaftliches Engagement in der Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel der Stadtgeschichte. Alle Fraktionen des Stadtrats sowie die Stadtverwaltung unterstützten das Anliegen von Anfang an: Einzelschicksale an exemplarisch ausgewählten Orten sichtbar zu machen und alle Namen der Erfurter Shoa-Opfer an einem zentralen Ort des Gedenkens zu nennen. Am 9. November 2013 erschien das Gedenkbuch „Ausgelöschtes Leben“ als zentraler Ort des Gedenkens.
Mit dieser Dokumentation individueller Lebenswege soll der Gefahr entgegengewirkt werden, die Shoa zu anonymisieren. Neben spärlich überlieferten und daher nüchtern wirkenden Lebensdaten werden bewegende Schicksale mitgeteilt. Kaleidoskopartig entsteht ein Bild des jüdischen Lebens in Erfurt, das verschiedentlich bis in das 19. Jahrhundert zurück reicht und die Verbundenheit der jüdischen Familien mit der Stadt sowie Verdienste um die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Erfurts aufzeigt. Die Aneinanderreihung von Lebensdaten der Ermordeten ist zugleich Mahnung, denn die Jahre 1933 bis 1945 stehen für ein zutiefst verbrecherisches System, das sich selbst als nationalsozialistisch bezeichnete. Die damalige Politik der Vernichtung jüdischen Lebens wurde von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen, die entsprechenden Einstellungen waren nur zum Teil aufoktroyiert. Die Stadt als Ganzes – also die nichtjüdische Bevölkerung, städtische Einrichtungen, Behörden, Gerichte, Polizei, Gestapo, SA, SS, die NSDAP mit ihren Gliederungen und Organisationen, Kammern, Innungen usw. – war Teil des Systems. Umso mehr Gewicht kommt den spärlich bekannt gewordenen Beispielen von Menschlichkeit oder gar Widerstand zu.
Wer das Erinnern mit den heutigen Erfordernissen verbinden will, kommt nicht umhin, alltäglichen Erscheinungen gruppenbezogener Menschenverachtung bereits im Ansatz entgegenzutreten und Herrschaftsansprüche gegenüber anderen Völkern entschieden zurückzuweisen.
(Aus dem Grußwort des Oberbürgermeisters Andreas Bausewein im Gedenkbuch „Ausgelöschtes Leben. Juden in Erfurt 1933 - 1945. Biographische Dokumentation“)