Fragen zur Erfurter Mikwe
Wenn die Erfurter Gemeinde im Mittelalter etwa 900 Mitglieder hatte und nur eine Mikwe, musste man dann anstehen und lange warten, bis man an der Reihe war?
Vermutlich selten, denn die Gemeindemitglieder nutzten die Mikwe nicht alle am selben Tag. Es gab sicher Männer- und Frauentage bzw. -zeiten, wobei Frauen die Mikwe traditionell nach Sonnenuntergang benutzen. Kinder, unverheiratete bzw. geschiedene Frauen und Witwen besuchten die Mikwe i.d.R. ohnehin nicht. All dies drosselte die Zahl der tatsächlichen Nutzer. Frauen reinigten sich nur einmal im Monat nach ihrer Menstruation und ansonsten eher in Ausnahmefällen (vor der Hochzeit, nach einer Geburt, überstandenen Krankheit, als Abschluss eines Bußprozesses etc.).
Wie oft Männer die Mikwe aufsuchten, hing sehr von ihrer persönlichen Frömmigkeit und den Bräuchen vor Ort ab. Allerdings kann es direkt vor Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, zu längeren Wartezeiten gekommen sein, wenn viele Gläubige innerhalb eines kurzen Zeitabschnitts die Mikwe besuchen wollten. Heute kann man Zeiten für einen Mikwebesuch buchen.
Nein, jeder musste einfach durch die Gassen dorthin laufen. Im Allgemeinen kam man wohl nicht direkt aus der Synagoge, sondern eher von zu Hause.
Je nach Jahreszeit war es das sicherlich. Da man dem Mikwewasser jedoch auch so genanntes „geschöpftes“ Wasser hinzufügen durfte, nutzte man an einigen Orten folgende Möglichkeit: Ehe Mann oder Frau untertauchte, goss jemand warmes Wasser hinzu. So wurde es im Winter etwas erträglicher. Manche Mikwen besaßen eine Feuerstelle, die den Raum insgesamt erwärmte. Auch in Erfurt wurde eine solche Feuerstelle gefunden, jedoch ist noch nicht klar, ob sie schon die Mikwe beheizte oder erst später eingebaut wurde. Die Archäologen werden darauf jedoch bald eine Antwort wissen. Jede Gemeinde hatte wohl ihre eigenen Methoden und Traditionen, aber es ist leider noch nicht bekannt, ob und wenn ja, wie, die Erfurter Gemeinde die Mikwe erwärmte.
Vermutlich nicht so, wie man es sich vorstellt. Wie bei Flussmikwen allgemein, so galt auch in Erfurt: Das Wasser floss zu, aber auch wieder ab und „stand“ nicht lange. Dadurch gab es einen natürlichen Wasseraustausch. Sicher wurde die Gera im Mittelalter für alles Mögliche genutzt und war deshalb nicht sauber, aber ihr Wasser wurde trotzdem für die täglichen Bedürfnisse von Juden und Nichtjuden gleichermaßen gebraucht.
Wurde die Frau nicht krank, wenn sie direkt nach der Geburt im kalten schmutzigen Wasser untertauchen musste?
Eine Frau taucht niemals direkt nach der Geburt unter, sondern frühestens 7 (Sohn) oder 14 (Tochter) Tage später. In der Regel liegt jedoch ein viel längerer Zeitraum dazwischen: 7 + 33 Tage bei einem Jungen bzw. 14 + 66 Tage bei einem Mädchen. Das eigentlich Wichtige ist jedoch, dass die Mutter nicht mehr blutet. Erst wenn überhaupt kein Blut mehr hervortritt und dies mindestens 7 bzw. 14 Tage lang der Fall ist, kann sie die Mikwe wieder besuchen.
Die Erfurter Mikwe wird nicht mehr genutzt, sie ist Teil der Museumslandschaft, ebenso alle anderen historischen Mikwen in Deutschland. Für die heutigen jüdischen Gemeinden im Land gibt es moderne (und sicher auch komfortablere) Mikwenbauten mit angenehm temperiertem Wasser.