Allgemeine Fragen zu Mikwen
Für das Wort Mikwe finden sich unterschiedliche Schreibweisen in lateinischen Buchstaben, u.a. Mikweh, Mikve, Mikveh, Miqwe, Miqve, Miqweh etc. Dies sind lediglich verschiedene Varianten, um die hebräischen Buchstaben wiederzugeben. Keine dieser Formen ist falsch, nur ist im deutschen Sprachraum Mikwe am gebräuchlichsten, im englischen Mikve(h).
In das Mikwebecken selbst steigt man immer allein. Es ist jedoch eine weitere Person anwesend (bei Frauen immer eine Frau, bei Männern ein Mann), die/der den Tauchgang beobachtet und für gültig erklärt. Kurz: Die/der darauf achtet, dass alles den Geboten gemäß vonstattengeht und das Untertauchen bezeugen kann.
Der Tauchgang selbst dauert in der Regel nicht lange. Man steigt ins Becken, taucht vollständig unter (je nach Tradition dreimal oder auch öfter) und spricht dazwischen einen kurzen Segensspruch. Alles Weitere hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B.: Muss man warten, bis man an der Reihe ist oder nicht; wie viel körperliche Reinigung, Kämmen und Abschminken ist vorher nötig; wie viel Kleidung, Schmuck etc. muss man ablegen usw.
Gibt es einen zeitlichen Abstand zwischen den Badenden, also wenn ich jetzt in die Mikwe gehe, wann dürfte der Nächste hinein? Wird das Wasser zwischendurch ausgetauscht?
Moderne Mikwen verfügen über Wasserreinigungs- und Filtersysteme. D.h. eine Person nach der anderen kann in das Becken steigen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch große und umfassende Reinigungen der Becken, die aber nicht täglich stattfinden. Bei einer Mikwe wie der Erfurter konnte der Fluss bzw. das Grundwasser von allein durch das Becken zu- und abfließen. Dadurch fand ein natürlicher Wasseraustauschprozess statt. Es gab also in dem Sinne kein „Limit“ für Besuche.
Wenn man alles Körperfremde ablegen soll, wie ist das dann mit festen Zahnspangen, Zahnersatz, Herzschrittmacher, künstlichen Hüften, Tätowierungen, einem Gips, gefärbten Haaren etc.?
Als „körperfremd“ gelten nach rabbinischen Bestimmungen zwei Dinge: 1. etwas, das den größten Teil des Körpers bedeckt (row), und 2. etwas, das die Person stört (makpid). „Stören“ meint hier soviel wie „was man fühlt“ und nicht vergisst, was also in der Wahrnehmung ständig präsent bleibt.
Daher muss gemäß der 1. Regel jeder Gegenstand entfernt werden, welcher den Großteil eines Körperteils umfasst, selbst wenn er erwünscht und bequem sein sollte. Gemäß der 2. Regel gilt ein Gegenstand, der einen kleinen Teil des Körpers bedeckt, aber unbequem oder unerwünscht ist (z.B. eine Bandage oder ein Pflaster), als „Barriere“ für das Wasser und muss ebenfalls entfernt werden. Auch im Mittelalter wäre also niemand mit einer Bandage über einer offenen Wunde in die Mikwe gegangen sondern erst, wenn diese so verheilt war, dass man die Tücher abnehmen konnte.
Für die in der Frage erwähnten Gegenstände gelten heute verschiedene Bestimmungen:
- Zahnspangen: Der Mund wird beim Untertauchen nicht geöffnet, sodass eine Zahnspange eigentlich keine Rolle spielen sollte. Rabbi Yosef Elyashiv, der den litauischen orthodoxen Flügel leitet, legte jedoch im Jahr 2010 fest, dass die Zahnspange eine „Barriere“ zwischen Wasser und Körper darstellt. Daher sind für seine Anhänger nur noch herausnehmbare Zahnspangen möglich. Kinder und Jugendliche können natürlich nach wie vor feste Zahnspangen tragen, da sie nicht in die Mikwe gehen.
- Zahnersatz: Hier gilt: Was fest verankert ist (Füllungen, Implantate, Brücken etc.), bleibt natürlich im Mund. Für beweglichen Zahnersatz gilt ansonsten dasselbe wie für Zahnspangen: Er sollte herausgenommen werden.
- Herzschrittmacher und künstliche Hüften etc. sind Teil des Körpers und dienen der Lebensrettung und -erhaltung. Sie sind kein Hindernis, um in die Mikwe zu gehen.
- Tattoo: Ein/e orthodoxe/r Jude/Jüdin würde sich kein Tattoo stechen lassen. Wenn man jedoch anfängt, die jüdische Religion intensiver zu leben und schon Tattoos hat, gelten sie als Teil des Körpers und müssen nicht entfernt werden, ehe man in die Mikwe geht.
- Gips stellt eine „Barriere“ zwischen Wasser und Körper dar. Er macht einen Mikwenbesuch somit unmöglich. Bei Gipsverbänden sollte die Berührung mit Wasser ohnehin vermieden werden. Wenn ein solcher Verband jedoch lange Zeit getragen werden muss, lohnt sich ein Gespräch mit dem Rabbi …
- Streng genommen würde eine künstliche Haarfarbe eine „Barriere“ darstellen. Jedoch üben die meisten Rabbiner hier Nachsicht. Dies hat auch damit zu tun, dass Farbe in die Haarstruktur eindringt: Sie hat damit keine „eigene Substanz“ mehr und kann nicht einfach entfernt oder gefühlt werden.
Religiöse Unreinheit ist nicht gleichzusetzen mit körperlicher und daher ist Blut auch nicht gleich Blut. Religiöse Unreinheit, die einen Mikwengang nötig macht, wird von bestimmten Substanzen ausgelöst wie z. B. genitalem Blut oder bestimmten Hautkrankheiten, nicht aber durch Körperausscheidungen wie Schweiß, Tränen, Speichel, Urin, Blut aus Wunden, Nasenbluten, Zahnfleischbluten etc. Wichtig ist, dass man das Blut aus Wunden nicht wieder zu sich nimmt. Als Beispiel: hat man sich beim Zubereiten des Essens in den Finger geschnitten, sollte man nach Möglichkeit das Blut entfernen, das Essen wird dadurch aber nicht komplett unkoscher. Hat man in den Apfel gebissen und durch Zahnfleischbluten bleibt etwas Blut am Apfel, sollte man die Stelle selbst vermeiden, kann den Rest des Apfels aber essen.
Nein. Er kann das Blut erlaubter Tiere berühren, er darf es nur nicht zu sich nehmen. Sein Messer muss jedoch koscher sein und ggf. gekaschert, also religiös gereinigt werden.
Nein, auf gar keinen Fall. In die Mikwe steigt Mann/Frau stets allein und ohne dass eine Person des jeweils anderen Geschlechts anwesend ist. Nur eine Mikwefrau/Badedienerin bzw. -mann/-diener ist anwesend, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Untertauchens zu bestätigen.
Im Allgemeinen gehen Kinder nicht in die Mikwe. Jedoch ist das Judentum sehr divers und so gibt es auch hier verschiedene Praktiken: In manchen modernen Strömungen geht z.B. ein Junge vor seiner Bar Mitswa, ein Mädchen vor ihrer Bat Mitswa etc. Ansonsten gilt eigentlich, dass man die Mikwe das erste Mal vor der eigenen Hochzeit besucht.
Nein, dies wurde und wird sehr unterschiedlich gehandhabt. I.d.R. war es ideal, wenn sich die Mikwe in unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge befand. Der jüdischen Gemeinschaft einer Stadt war und ist daran gelegen, dass beide Gebäude fußläufig voneinander entfernt liegen, jedoch konnte und kann dies nicht immer gewährleistet werden. Da man jedoch an jedem gewöhnlichen Wochentag in die Mikwe geht (und nicht am Shabbat selbst), ist es heute auch möglich, in ein weiter entferntes Bad zu fahren. Viele nutzen diese Möglichkeit, weil ihnen eine andere Mikwe einfach besser gefällt.
Nein, in diesem Fall kann (und sollte) man auch länger warten, bleibt aber währenddessen im Zustand ritueller Unreinheit.
Größere Gemeinden haben im Allgemeinen eine Mikwe. Falls nicht, so ist es in der Regel möglich, die Mikwe in einer anderen Stadt zu besuchen.
Natürlich. Alle orthodoxen Juden und Jüdinnen müssen (theoretisch) in die Mikwe. Und auch viele weniger-orthodoxe haben in den letzten Jahrzehnten die Mikwe als einen spirituellen Ort und als kulturelles Erbe für sich entdeckt.
Nicht nur Menschen reinigen sich religiös in der Mikwe. Auch Geschirr wird dort untergetaucht, also gekaschert (= koscher gemacht). Dabei handelt es sich um neu gekaufte bzw. um unrein gewordene Töpfe, Pfannen, Teller etc.
Auch hierfür gilt: Die Gegenstände werden bereits vorher gereinigt und dann erst ins Mikwewasser eingetaucht. Moderne Mikwen haben dafür ein zweites, kleines Becken. Eine weitere Möglichkeit zu kaschern besteht darin, alles in einen Kessel oder großen Topf mit kochendem Wasser zu geben.
Da man in der Regel im Mikwebecken stehen kann und sich beim Untertauchen nur kurz in eine Art Embryonalhaltung begibt, ist es nicht nötig, schwimmen zu können. Das Becken ist klein, es führen Stufen hinab und Hilfe ist immer in der Nähe durch die Person, welche das Untertauchen beobachtet und dessen Durchführung bezeugt.