Roman eines Schicksallosen: Szenische Lesung mit Musik des Romans von Imre Kertész im Erinnerungsort Topf & Söhne

29.10.2018 15:36

Als Eigenproduktion der 26. Thüringer Tage der jüdisch-israelischen Kultur hat Projektleiter Michael Dissmeier aus dem epochalen Roman von Imre Kertész eine szenische Lesung gestaltet. Sie wird an acht Thüringer Orten präsentiert, die mit den nationalsozialistischen Massenverbrechen in direkter Verbindung stehen.

Älterer Mann spricht an einem Rednerpult
Foto: Imre Kertész in der Gedenkstätte Buchenwald Foto: © Sammlung Gedenkstätte Buchenwald

Die Premiere findet am 3. November um 19:30 Uhr im Erinnerungsort Topf & Söhne bei freiem Eintritt statt. Der renommierte Film- und Theaterschauspieler und Hörbuchsprecher Markus Fennert wird von einem Englisch-Horn begleitet, dem zentralen Trauerinstrument der klassischen Musik. Indem das Programm teilweise „hinter den Kulissen“ der Ausstellung des Erinnerungsortes aufgeführt wird, wird der historische Ort der Mittäterschaft von Topf & Söhne selbst zu einem Teil der Lesung.

Kertész’ Roman enthält eine überraschende und verstörende Perspektive auf die Geschehnisse in den Lagern Auschwitz, Buchenwald, Zeitz und Ohrdruf, einem Außenlager des KZ Buchenwald. Der fünfzehnjährige Held beschreibt innenperspektivisch, ohne zu verurteilen, die perfide Zweckmäßigkeit und das Geordnete der Lagerwelt. Er moralisiert nicht. Er empfindet sich als Teilnehmer einer ihm aufgezwungenen Reise voller unvorhersehbarer Wendungen, aber auch voller extremer, körperlicher Entbehrungen. Aus dieser literarisch genialen Perspektive heraus gelingt es Kertész, die vorgefertigte Haltung des Lesers und Hörers zutiefst zu erschüttern. Vor allem die moralisch wohlfeile Erklärung der nationalsozialistischen Gräueltaten als „Tragödie“ und der Erlebnisse der Opfer als „schreckliches Schicksal“ fällt zusammen. Die Realität der Lager wird von Kertész als Abfolge realer Schritte von Menschen beschrieben, die nichts Schicksalhaftes an sich haben.