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Aschkenasische illuminierte Gebetbücher aus dem Mittelalter als Vermittler emotionaler Erfahrung
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Zum Vortrag:
An jedem jüdischen Feiertag im Mittelalter versammelten sich aschkenasische Juden in der Synagoge zu einem gemeinschaftlichen Gebet, das aus einem Mahzor aufgeführt wurde. Mahzorim sind hebräische Gebetbücher für die besonderen jüdischen Feiertage, die im 13. Jahrhundert in Franken und im Rheintal entstanden. Sie bestehen hauptsächlich aus Piyyutim, liturgischen Gedichten, die die Themen und theologischen Konzepte jedes Feiertags versifizieren und zum Vorlesen oder Vorsingen gedacht sind. Viele dieser Kodizes sind besonders großformatig und prächtig mit farbigen und vergoldeten Initialen sowie erzählerischen und grotesken Miniaturen dekoriert.
Da es sich bei Mahzorim in erster Linie um Bücher mit theologischem Inhalt handelt, die den Synagogenanbetern vermittelt werden sollen, stellen sich interessante Fragen zu deren Wirkmechanismus. Wie könnte der liturgische Inhalt der Mahzorim (Text, Para-Text, dekoratives Programm und Layout) die Wahrnehmung der Ideen und der 'Stimmung' des Feiertags vorantreiben? Welche Art von Emotionen und kognitiven Effekten könnte die Aufführung illuminierter Mahzorim hervorrufen? Eine multidisziplinäre Untersuchung zeigt, dass eine Vielfalt rhetorischer Instrumente, akustischer Texturen und visueller Elemente in den Mahzorim das Potenzial haben, einen immersiven und transformativen Effekt auszulösen. Dies macht illuminierte Mahzorim zu einem kraftvollen Erzeuger einer emotionalen und kognitiven Erfahrung.
Einlass ab 18:00 Uhr. Beginn um 18:30 Uhr.
Der Eintritt ist wie immer frei.

Zur Person:
Meyrav Levy studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Tel Aviv sowie Geschichte jüdischer Kulturen an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und an der Universität Graz. Von 2019 bis 2024 promovierte sie zu jüdischen aschkenasischen Manuskripten und Liturgie am Institut für Jüdische Studien der Universität Münster, teilweise als Stipendiatin des Leo Baeck Instituts und der Studienstiftung des deutschen Volkes. In ihrer bevorstehenden Dissertation mit dem Titel „Ashkenazi Mahzorim as Generators of an Affective Experience“ konzentriert sie sich auf die kognitive Rezeption illuminierter aschkenasischer Gebetbücher und versucht, die sensorisch-emotionale Erfahrung der Gläubigen während des Gebets zu erfassen. Parallel arbeitete sie freiberuflich an der Dauerausstellung des MiQua.LVR-Jüdischen Museums Köln sowie an der Sonderausstellung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster „Körper. Kult. Religion. Perspektiven von der Antike bis zur Gegenwart“. Seit Dezember 2023 betreut sie das Projekt „Jüdisches Leben und kulturelles Erbe in bayerischen Museen“ an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. Das Projekt hat zum Ziel, die reichhaltige jüdische Geschichte in den bayerischen Museen und ehemaligen Synagogen sichtbar(er) zu machen und wird vom Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung unterstützt.