Vortrag „Alles unter Kontrolle – Die Synagoge der zweiten jüdischen Gemeinde in Erfurt und der Synagogenbau nach 1350“
Als sich bereits kurz nach dem verheerenden Pogrom von 1349 in Erfurt wieder eine jüdische Gemeinde bildete, stand die alte prächtige Gemeindesynagoge nicht mehr zur Verfügung. Durch den rasch durchgeführten Umbau zum Speichergebäude hatte man hier 1350 jegliche Spuren ihrer einstigen Nutzung zu löschen versucht. Es mag daher wie eine großzügige Geste anmuten, dass die Stadt für die neu angesiedelten Juden 1357 eine neue Synagoge errichten ließ. Doch hinter dieser Geste steckte weniger eine Form von Großzügigkeit oder gar eine Sühneleistung als vielmehr das politische Kalkül, mit dem Bau der Synagoge auch die Gemeinde besser kontrollieren zu können. Erfurt bildete dabei keine Ausnahme, auch in vielen anderen Städten wurden die Gebäude für die neu entstehenden jüdischen Gemeinden fortan als städtische Einrichtungen geführt. Der Synagogenbau nach 1350 unterscheidet sich daher unter dem Aspekt der Bauherrenschaft wesentlich von dem der Zeit davor, denn unter den neuen Bedingungen änderte sich auch das architektonische Erscheinungsbild der Bauten. Doch wie muss man sich eine solche „Städtische Synagoge“ des späten 14. Jahrhunderts vorstellen? Was wissen wir über den Synagogenbau nach 1350 und speziell über Erfurter Synagoge von 1357? Im Vortrag soll den Spuren dieser Synagoge nachgegangen werden und ihre einstige architektonische Erscheinung rekonstruiert werden.
Dr.-Ing. habil. Simon Paulus, Architekturhistoriker; 2005 Promotion zum Synagogenbau des Mittelalters an der TU Braunschweig (Publikation „Die Architektur der Synagoge im Mittelalter – Überlieferung und Bestand, Petersberg 2007), Mitarbeit an zahlreichen Forschungs- und Ausstellungsprojekten zur Architektur jüdischer Einrichtungen (Synagogen, Mikwen und Wohnquartiere), Mitglied im Beirat zur Unesco-Weltkulturerbebewerbung der Stadt Erfurt, z.Z. Projektmitarbeiter im Projekt "Ein hochmittelalterlicher jüdischer Wohn- und Handelskomplex in Erfurt und seine Raumfassung" am Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte, TU Berlin.