Torarolle, Erfurt 7 (SBB-PK, Orientabt., Ms. or. fol.1216)
Ausgewählte Seiten der Handschrift
Die 66 cm hohe Torarolle „Erfurt 7“ nimmt unter den vier Erfurter Torarollen eine Ausnahmestellung ein. Die gedrängte und hohe Schrift spricht gegen ihre Herstellung im aschkenasischen Raum. Auch die Darstellung der Lieder weist auf eine orientalische Herkunft. Leider wissen wir nicht, auf welchen Wegen diese Handschrift in den Besitz der Erfurter jüdischen Gemeinde gelangt ist.
Eine genaue Datierung der Handschrift lässt sich nicht vornehmen. Allerdings kann man mit Sicherheit sagen, dass auch diese Torarolle vor dem Pogromjahr 1349 geschrieben wurde. Die vollständige Tora ist hier auf 50 Blätter mit je 60 Zeilen Text geschrieben.
Leider hat diese Handschrift ihre Odyssee durch die Zeiten und Räume nicht unbeschadet überstanden. Sie weist einige stark geschädigte Blätter auf, auf denen die Schrift kaum noch lesbar ist.
Für ihr hohes Alter spricht auch die Tatsache, dass die Maimonidische Gliederungsweise, die sich im 13. Jahrhundert aus dem orientalischen Raum kommend durchzusetzen begann, in dieser Torarolle noch nicht umgesetzt wurde.
Die Vorstellung von „rein“ und „unrein“ ist die zentrale Ordnungskategorie im jüdischen Denken und eng mit der Idee von „heilig“ und „profan“ verknüpft. Ausschlaggebend für die Vorstellung von „rein“ und „unrein“ war die Heiligkeit des Tempels. Um dieser zu entsprechen, mussten alle Menschen und Dinge, die in Kontakt mit dem Heiligtum standen, im Zustand absoluter Reinheit sein. Die jüdische Literatur der Antike lässt keinen Zweifel: dem Tempelrollenexemplar kam hochheiliger Charakter zu und es war denselben rituellen Regeln wie den hochheiligen Tempelgeräten unterworfen.
Aus diesem Grund war und ist die Reinheit des Materials, aus dem die heiligen Rollen gefertigt sind, von außerordentlicher Bedeutung. So muss das Pergament, auf dem die STaM („Sefer Tora", „Tefillin" und „Mezuzah") geschrieben werden, von den Häuten rituell reiner Tiere stammen. Damit sind Tiere gemeint die nach jüdischen Speisevorschriften zum Verzehr geeignet sind, wie z.B. Rind, Wild oder Schafe, aber im Unterschied zu diesen nicht rituell geschlachtet sein müssen. Für die Herstellung der Pergamentbögen wird die Tierhaut zunächst in einer Kalklösung eingeweicht, um sie dann auf einem Holzrahmen kontrolliert zu trocknen. Dadurch verändert sich die Gewebestruktur des Leders. Nach der Trocknung kann die Haut mit einem scharfen Messer auf beiden Seiten ausgedünnt werden.
Da diese Torarolle aus dem orientalischen Raum stammt und eigene Schreibertraditionen, die sich vom aschkenasischen Brauch unterscheiden, beinhaltet, haben aschkenasische Schreiber nachträglich einige Nachträge vorgenommen. So sind beispielsweise viele der im aschkenasischen Raum des 13. Jahrhunderts beliebten Sonderzeichen hinzugefügt worden.
Auch für den modernen Sofer im heutigen Jerusalem oder New York hat die fehlerfreie Weitergabe der Tora an die nächste Generation oberste Priorität. Er ist deshalb verpflichtet, eine zuverlässige, mehrfach geprüfte Vorlage zu benutzen. Damit sich beim Abschreiben kein Fehler einschleicht, muss jedes Wort von ihm laut gelesen werden, bevor er es endgültig zu Pergament bringt. Damit soll zum einen die Heiligkeit des Textes auf die Schriftrolle übergehen, zum anderen aber auch vermieden werden, dass der Schreiber ganze Passagen aus dem Kopf schreibt – auch wenn das für ihn sicherlich kein Problem darstellte.
Es ist wichtig, dass jeder einzelne Buchstabe gut lesbar und über jeden Zweifel erhaben ist. Der Sofer benutzt für die STaM, aber auch für das Abschreiben der Hebräischen Bibel immer die sogenannte assyrische Quadratschrift, deren Name auf ihre Ursprünge im babylonischen Exil hinweist, von wo sie sich allmählich ausbreitete. Diese Schrift basiert auf dem aramäischen Alphabet, das das althebräische Schriftsystem, das sich ursprünglich aus dem phönizischen Alphabet ableitete, etwa im fünften vorchristlichen Jahrhundert verdrängte. Den Namen „Quadratschrift“ bekam diese Schrift, da jeder Buchstabe ein ganzes bzw. halbes Quadrat ausfüllt und sich die Linienführung der Zeichen mit hauptsächlich waagerechten und senkrechten Strichen meist am Quadrat orientiert. Betrachtet man das Schriftbild einer Torarolle näher, fallen die exakt geschriebenen Buchstaben ins Auge, die beinahe Druckqualität besitzen. Dazu muss bemerkt werden, dass ein Schreiber für jeden der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets exakte Schreibvorgaben hat. Auf das gesamte Alphabet bezogen, gibt es über 150 Schreibanweisungen, die kaum Platz für Interpretationen oder so etwas wie künstlerische Freiheit lassen.