Orte und Biogramme

Auf dieser Webseite werden die erinnerten Personen kurz vorgestellt.

Straße des Friedens 1

Gedenken an Dr. phil. Hilde Spier, 1901 - 1942,
deportiert am 02.09.1942, Auschwitz;
Gedenken an Carl Ludwig Spier,  1900 - 1945,
Todesmarsch nach Buchenwald.

Das Ehepaar Spier lebte seit 1930 im Erdgeschoss der damaligen Friedrichstraße 1. Erfurt ist die Geburtsstadt ihrer Kinder Marianne und Rolf. Die Philologin Dr. Hilde Spier hatte in Köln als Redakteurin gearbeitet. Als Carl Ludwig Spier die Leitung der Schuhfabrik Lingel angetragen wurde, verlegten sie ihren Wohnsitz nach Erfurt. Die Familie floh 1935 ins Exil nach Brüssel. Carl Ludwig wurde im Mai 1940 verhaftet und nach Frankreich abgeschoben. Hilde floh mit den Kindern nach Südfrankreich, sie gelangten ins Lager Gurs. Ende Juli 1940 kamen sie nach Saint Cyprien. Dort war Carl Ludwig interniert, der jedoch kurz darauf nach Gurs verlegt wurde. Nach mehreren Monaten der Trennung und des gemeinsamen Aufenthalts in Meillon lebten sie in der unbesetzten Zone Frankreichs bis zur großen Razzia im August 1942. Die Familie wurde in Nizza in einem Sammellager für ausländische Juden interniert. Dort trennten sich die Eltern später von ihren Kindern. Sie taten das im Bewusstsein, dass Marianne und Rolf daraufhin in der Obhut vertrauenswürdiger Menschen und in Sicherheit waren. Über das Internierungslager Drancy wurden Hilde und Carl Ludwig Spier in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Carl wurde von dort in verschiedene Konzentrationslager verlegt, am 20. Januar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald.

Straße des Friedens 13

Gedenken an Blondina Schüftan, geb. 1887,
deportiert am 02.03.1943, Auschwitz.

Die Witwe des 1936 verstorbenen Rabbiners, genannt Dina, lebte seit März 1938 im Erdgeschoss der damaligen Friedrichstraße 13. Die Wohnung wurde nach der Zerstörung der Großen Synagoge in der Pogromnacht 1938 zum Treffpunkt der Synagogengemeinde und zum Sitz des Gemeindebüros. Dina Schüftan kam 1923 gemeinsam mit Ehemann und Sohn nach Erfurt. Von Anfang an engagierte sie sich in der jüdischen Wohlfahrtspflege, im Israelitischen Frauenverein Erfurt und dem Landesverband Mitteldeutschland des Jüdischen Frauenbunds. Sie stellte die eigene Auswanderung zurück, um die Gemeinde nicht im Stich zu lassen. Bis zuletzt war sie in Erfurt als Fürsorgerin für die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland tätig. Am 23.01.1943 musste Dina Schüftan ihren Wohnsitz in die Johannesstraße 98/99 verlegen. Von dort wurde sie zusammen mit zwei anderen Gemeindemitgliedern in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. 

Puschkinstraße 16

Gedenken an Leopold Stein, geb. 1880,
deportiert am 02.03.1943, Auschwitz.

Die Erdgeschosswohnung der damaligen Viktoriastraße 16 war von der jüdischen Gemeinde angemietet und diente 1939 mehreren Familien als Unterkunft . Ein Raum wurde ab 01.01.1940 offiziell als Schulraum der privaten jüdischen Volksschule genutzt. Bereits mehrere Monate zuvor wurden hier von Leopold Stein jüdische Schulkinder, auch auswärtige, unterrichtet. Der Lehrer, der seit 1911 an der Mittelschule in Bleicherode tätig war, war im September 1933 zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden. Daraufhin übersiedelte er mit seiner Familie nach Erfurt. Den beiden Töchtern gelang rechtzeitig die Flucht ins Exil. Leopold Stein und seine Ehefrau Elly mussten ihren Wohnsitz in Erfurt mehrfach wechseln. Zuletzt waren sie in der Herderstraße 24 a, einem Ghettohaus, untergebracht. Leopold und Elly Stein wurden gemeinsam in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Domplatz 23

Gedenken an Günther Beer, geb. 1938,
deportiert am 09.05.1942, Ghetto Belzyce.

Der Vierjährige war der jüngste Einwohner Erfurts, der deportiert wurde. Er lebte mit Mutter und Großeltern im zweiten Stockwerk des damaligen Friedrich-Wilhelm-Platzes 23 bei den Schwestern Satonower. Günthers Vater war in der Absicht nach Holland emigriert, Frau und Kind nachkommen zu lassen. Günther kam im September 1939 mit seiner Mutter Irma aus Glogau nach Erfurt. Die Eltern der Mutter waren 1938 aus Stadtlengsfeld zugezogen. Irma Beer leistete 1941 Zwangsarbeit im Unternehmen Amend & Co. Am 8. Mai 1942 mussten sich die Satonowers und ihre Untermieter mit unbekanntem Ziel abmelden. Am 9. Mai 1942 erreichten sie das Sammellager in Weimar und am Tag darauf wurden sie in den Distrikt Lublin deportiert. Die erste flächendeckende Massendeportation von Juden aus dem Raum Thüringen und Sachsen betraf 101 Menschen aus Erfurt. Von ihnen überlebte nicht einer.

Bahnhofstraße 40

Gedenken an Dr. med. Ernst Ehrlich, 1874 - 1942,
deportiert am 19.09.1942, Theresienstadt.

Der Facharzt für Magen-, Darm- u. Stoffwechselkrankheiten wohnte und praktizierte von 1933 bis 1938 im ersten Stockwerk des Gebäudes. Als ehemaliger jüdischer Frontkämpfer und vor dem 01.08.1914 niedergelassener Arzt war Dr. Ehrlich 1933 noch vom Verbot der kassenärztlichen Tätigkeit ausgenommen. Ab Oktober 1938 betraf das Berufsverbot alle jüdischen Ärzte. Am 9. November 1938 wurde er verhaftet und am nächsten Tag zusammen mit weiteren 179 Männern von der Turnhalle des Realgymnasiums in das KZ Buchenwald transportiert, wo er bis 26.11.1938 inhaftiert blieb. Ab Juli 1939 war er als letzter "Krankenbehandler" in Erfurt tätig, d. h. ausschließlich zur Behandlung von Juden zugelassen. Dr. Ernst Ehrlich starb am 13.10.1942 im Ghetto Theresienstadt infolge der unmenschlichen Lebensumstände.

Meister-Eckehart-Straße 1

Gedenken an Naemi Rosenblüth, 1926 - 1942,
ausgewiesen am 28.10.1938, Polen.

Der Standort der DenkNadel befindet sich auf dem Hof des Evangelischen Ratsgymnasiums Erfurt. Naemi, auch Normi genannt, war seit Ostern 1937 Schülerin der damaligen Mittelschule für Mädchen, genannt Kasinoschule. Zuvor hatte sie vier Jahre eine Volksschule besucht. Naemis Schulzeit an der Kasinoschule begann mit Klasse 6 a, das entspricht im Jahr darauf der Mittelschulklasse 1. Am 11.10.1938, nur wenige Tage vor ihrer Zwangsausweisung, erhielt die Schülerin der Klasse 2 a das Halbjahreszeugnis. Naemi wurde zusammen mit ihrer verwitweten Mutter Sara, die einen polnischen Pass besaß, und den älteren Schwestern Ruth und Edith abgeschoben. Die sogenannte Polenaktion war die früheste Deportation aus dem Deutschen Reich in den Osten. Familie Rosenblüth lebte zunächst in Otwock, dann in Warschau. Der Todestag Naemis und ihrer Angehörigen im Jahr 1942 ist nicht bekannt.

Johannesstraße 98

Johannesstraße 98
Gedenken an Max Cohn, geb. 1899,
April 1945, Buchenwald;
Gedenken an Helmut Cohn, geb. 1925,
März 1945, Ebensee;
Gedenken an Rosemarie Cohn, geb. 1928,
Januar 1945, Bergen-Belsen.

Im Sommer 1942 wurde Familie Cohn in eine Wohnung im ersten Stockwerk des Hinterhauses eingewiesen. Max Cohn war mit einer Nichtjüdin verheiratet, ihre drei Kinder galten als "jüdische Mischlinge ersten Grades". Der Familienvater war als Zwangsarbeiter bei der Firma Thüba, Thüringer Badeofenfabrik, in der Fertigung von Flugzeugteilen beschäftigt. Ein Kollege denunzierte ihn 1942 wegen des Eintauschens von Zigaretten gegen Lebensmittelrationen. Daraufhin wurde Max Cohn verhaftet und verurteilt. Nach Verbüßung der Haftstrafe wurde er im KZ Auschwitz-Monowitz inhaftiert. Im November 1943 erfolgte die Überstellung in das KZ Buchenwald. Dort starb er wahrscheinlich am 9. April 1945.
Sein ältester Sohn Helmut und seine Tochter Rosemarie wurden von Nachbarn mehrfach wegen Nicht-Tragens des Judensterns denunziert. Mitte 1944 wurden beide von der Gestapo verhaftet und im Juli 1944 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Das letzte Lebenszeichen von Helmut ist ein Brief vom 09.12.1944 aus dem "Infektionsblock". Am 25. Januar 1945 traf er mit einem „Evakuierungstransport“ im KZ Mauthausen ein. Wenige Tage später wurde er in das Nebenlager Ebensee verlegt, dort kam er am 27. März 1945 zu Tode. Rosemarie wurde in das KZ Bergen-Belsen überstellt; wo sie im Januar 1945 Hungers starb.
Das damalige Grundstück Johannesstraße 98/99 gilt als Ghettohaus, weil mehrere Wohnungen von Gestapo und Stadtverwaltung als "Judenwohnraum" genutzt wurden. Von diesem Wohnsitz aus wurden zwischen Mai 1942 und Januar 1945 mindestens weitere 17 Personen deportiert; von ihnen überlebten nur drei.

Anger 46

Gedenken an Erich Dublon, 1890 - 1942,
deportiert am 11.08.1942, Auschwitz;
Gedenken an Wilhelm Dublon, geb. 1889,
deportiert am 15.01.1944, Auschwitz

Die Brüder Erich und Wilhelm Dublon waren Mitinhaber der Schuhhandelsfirma Dublon. Ihr Vater hatte das Unternehmen 1898 gegründet und war Mitinhaber bis zu seinem Tod 1940. Im Ladengeschäft Anger 46 vertrieben sie Fabrikate der Schuhfabrik Hess. Gegenüber, Anger 27, führten sie das Schuhhaus Salamander. Im Mai 1938 mussten sie diese Geschäfte aufgeben, nachdem ihnen Salamander und Hess die Vertretung entzogen hatten. Ein Jahr später gingen Wilhelm, dessen Ehefrau Erna (Jg. 1903), ihre Töchter Lore (Jg. 1927) und Eva (Jg. 1933) sowie Erich Dublon in Hamburg an Bord des Flüchtlingsschiffes "St. Louis". Erich führte unterwegs Tagebuch. Das Scheitern ihrer Flucht ist als "Irrfahrt der St. Louis" in die Geschichte eingegangen. Die Dublons fanden Aufnahme in Belgien und gerieten 1940 dort in den Herrschaftsbereich des deutschen Faschismus. Wilhelm wurde am 23.12.1943 in Mechelen interniert, seine Frau mit den beiden Kindern am 08.01.1944. Sieben Tage später begann die Deportation der Familie in das Vernichtungslager Auschwitz. Erich war bereits im August 1942 von Mechelen nach Auschwitz transportiert worden. Das Sterbebuch des Vernichtungslagers Auschwitz verzeichnet seinen Tod am 3.September 1942.

Lutherstraße 5

Gedenken an Herta Simon, geb. 1921,
deportiert am 09.05.1942, Ghetto Belzyce

Herta Simon war in Blankenhain zu Hause. Ihr kriegsversehrter Vater betrieb dort bis zu seinem Tode 1931 eine Knopf- und Konfektionshandlung. Ihre Mutter, Klara Simon, führte das Geschäft bis zur "Arisierung" 1938 weiter. Im Haushalt lebte außerdem die Großmutter, Sara Simon. Gemeinsam übersiedelten die drei Frauen Anfang November 1938 nach Erfurt in die Lutherstraße 5. Herta war 1939 und 1940 vorübergehend als Hausgehilfin auswärts tätig. Sie hatte Aussicht auf eine Haushaltsstelle in Schottland; konnte jedoch die Auswanderungsabsicht nach Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht verwirklichen. Im September 1941 war sie in Erfurt zur Zwangsarbeit eingesetzt. Am 8. Mai musste sich Herta nach unbekannt abmelden. Betroffen waren auch ihre Mutter sowie weitere vier Mitbewohnerinnen und Mitarbeiter. Am frühen Morgen des 9. Mai hatten sie sich am Bahnhof einzufinden. Die nächste Station war das Sammellager in Weimar. Am Tag darauf wurden sie in den Distrikt Lublin deportiert.