Jüdische Gemeinde im Mittelalter

Fassadenausschnitt. Ein großes, rundes Rosettenfenster wird von zwei kleineren Lanzetfenstern flankiert
Foto: Die Alte Synagoge ist mit ihrem ältesten Mauerabschnitt aus dem späten 11. Jahrhundert wohl das früheste Zeugnis von jüdischem Leben in Erfurt. Foto: © Papenfuss - Atelier für Gestaltung

Die jüdische Gemeinde Erfurt wird für uns ab dem späten 11. Jahrhundert greifbar, denn der erste nachgewiesene Bau der Alten Synagoge fällt in diese Zeit.

Doch erst für das 13. Jahrhundert sind die Belege umfangreicher. Aus Steuerlisten und Urkunden erfahren wir, dass Erfurter Juden im Kreditwesen tätig waren und nicht nur regional Geschäfte mit Städten und Adligen machten, sondern reichsweite Geschäftsbeziehungen besaßen.

Karte des Jüdischen, mittelalterlichen Viertels
Foto: Im Quartier um die Alte Synagoge lebten Juden und Christen Tür an Tür. Im Stadtplan sind die Namen jüdischer Bewohner in grün, christlicher in schwarz eingetragen.

Ihr Wohnviertel lag im unmittelbaren Stadtzentrum, im Quartier zwischen Rathaus, Krämerbrücke und Michaeliskirche. Hier lebten sie in direkter Nachbarschaft zu christlichen Kaufleuten, hier befand sich auch ihre repräsentative Synagoge. In unmittelbarer Nähe gab es eine Mikwe, also ein jüdisches Ritualbad. Der Friedhof lag außerhalb des Wohngebietes am Moritztor.

In Erfurt lebten und lehrten bedeutende Gelehrte. Belege für das entwickelte Geistesleben sind 15 hebräische Handschriften, die heute zum Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören. Unter den Gelehrten tritt Rabbiner und Autor Alexander Süßkind ha-Kohen hervor. Er wirkte in Worms, Köln, Frankfurt a. M. und an seinem Geburtsort Erfurt, wo er wahrscheinlich am 21. März 1349 während des Pestpogroms ermordet wurde.

Die Welle der Judenverfolgungen, die in Zusammenhang mit dem Ausbruch der Pest von Südeuropa aus nach Norden und Westen lief, erreichte im März 1349 auch Erfurt. Die Ursachen dafür lagen unter anderem in Überschuldung, Hass auf Andersgläubige sowie Konkurrenzneid unter Händlern, aber auch politische Motive spielten eine Rolle. Den willkommenen Vorwand lieferte der Vorwurf der Brunnenvergiftung und der dadurch verschuldete Ausbruch der Pest. Bei dem Pogrom am 21. März 1349 wurde die jüdische Gemeinde Erfurt vollständig ausgelöscht, bis zu 900 Menschen starben. Ein Kaufmann baute im Anschluss die Alte Synagoge in ein Lagerhaus um.

Foto: Der Erfurter Judeneid ermöglichte es Juden, sich vor Gericht zu verteidigen.

Schon recht kurze Zeit später, wohl ab 1354, wurden wieder Juden in Erfurt ansässig. Für die neu entstandene Gemeinde ließ der Erfurter Rat zwischen 1355 und 1357 hinter dem Rathaus eine Synagoge erbauen. Die Juden lebten weitgehend im selben Quartier, nun aber größtenteils zur Miete in städtischen "Judenhäusern". Es gab auch in der zweiten Gemeinde einige sehr wohlhabende und einflussreiche Familien, die im Fern- und Geldhandel tätig waren. Zahlreiche ärmere Juden lebten von der Pfandleihe, vom Handel und von der Herstellung des Schofar, einem Widderhorn, das zu hohen Feiertagen geblasen wird.

Im 15. Jahrhundert nahm in Erfurt die antijüdische Stimmung zu. 1453 kündigte der städtische Rat den Judenschutz auf, zu dieser Zeit verließen alle Juden die Stadt. Seit 1454 wurden in Erfurt keine Juden mehr geduldet. Die jüdischen Wohnhäuser wurden verkauft, die Synagoge zum Zeughaus umgebaut und der Friedhof eingeebnet.